Veranstaltung: | Sitzung LAG Bildung 16.12. |
---|---|
Antragsteller*in: | Imma Hillerich, Dirk Jordan, Hans-Jürgen Kuhn, Sibylle Volkholz (LAG Bildung) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.12.2020, 11:16 |
A2: Entwurf für einen Beschluss der LAG Bildung zum Bericht der Expertenkommission „Empfehlungen zur Steigerung der Qualität von Bildung und Unterricht in Berlin“
Antragstext
1. Ohne Grundbildung mehr soziale Ungleichheit
So titelt die GEW-Zeitschrift: Erziehung und Wissenschaft im Novemberheft 2020
den Artikel über die von der GEW und dem Wissenschaftszentrum Berlin beauftragte
Studie über „Das Recht auf Grundbildung und die Pflicht des Staats zur Sicherung
des bildungsrechtlichen Existenzminimums.“
In diesem Sinne einer Grundbildung formuliert der Abschlussbericht der Köller-
Kommission als zentrales gemeinsames Ziel für die Berliner Schule: Reduktion der
Anteile der sogenannten Risikogruppe, d.h. von Schülerinnen und Schülern, die
sprachliche und mathematische Mindeststandards nicht erreichen um mindestens 5
Prozentpunkte in den kommenden 5 Jahren.
Beides entspricht der sozialen Orientierung grüner Bildungspolitik. Schon in dem
LDK-Beschluss von 2004 (Bildung neu denken) haben wir festgestellt. „Etwa 12
Prozent der SchulabgängerInnen verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss,
von den Jugendlichen ohne deutschen Pass sogar nahezu 30 Prozent. Sie haben kaum
eine Chance, auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das beinhaltet
erheblichen sozialen Sprengstoff und zeigt das Versagen des Bildungssystems,
einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit zu leisten.“ Dieser soziale Aspekt zieht
sich durch alle unsere bildungspolitischen Beschlüsse.
In der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung von 2016 wurde auf unser Drängen
hin folgender Absatz aufgenommen. „Um die Leistungsfähigkeit der Berliner Schule
zu stärken, die Qualität der Abschlüsse zu steigern und die Zahl der
Schulabgänger*innen ohne Abschluss deutlich zu senken, soll eine abgestimmte
Gesamtstrategie zur Qualitätssicherung entwickelt werden. Besonders unterstützt
werden Schulen in belasteten Sozialräumen.“ Dies fordert nun erneut der Bericht
der Köller-Kommission.
Wir selber haben in dem LAG-Papier vom Sommer 2019 formuliert: „Wer den
Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg mindern will, darf deshalb
nicht länger hinnehmen, dass Kinder nicht richtig lesen und schreiben, nicht
richtig rechnen können.“ Und in dem LDK-Beschluss vom November 2019 wurde das
noch einmal bekräftigt: „Um mehr Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, muss
Schule sich so verändern, dass Qualität für alle Schüler*innen gesichert wird.
Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass Kinder nicht richtig lesen und
schreiben, nicht richtig rechnen können, wir wollen nicht hinnehmen, dass in
Berlin immer noch rund 10 Prozent aller Schüler*innen die Schule ohne Abschluss
verlassen und es in einzelnen Schulen sogar mehr als 20 Prozent sind.“
Auf dieser Grundlage unterstützen wir als zentrale Zielstellung für die Berliner
Schule: Reduktion der Anteile der sogenannten Risikogruppe, d.h. von
Schülerinnen und Schülern, die sprachliche und mathematische Mindeststandards
nicht erreichen, um mindestens 5 Prozentpunkte in den kommenden 5 Jahren. Wir
wollen die Grundbildung in der Berliner Schule für alle gesichert sehen.
Die Fokussierung auf das Ziel der Steigerung der Unterrichtsqualität bedeutet
keinesfalls den Verzicht oder eine Reduktion der Anstrengungen zur Umsetzung
aller anderen zum Auftrag der Berliner Schule gehörenden Kompetenzbereiche und
fächerübergreifenden Zielsetzungen. Letztlich ist auch die Zielerreichung in
allen anderen schulischen Lernbereichen davon abhängig, dass es gelingt
grundlegende sprachliche und mathematische Kompetenzen zu sichern.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der auch von uns geforderten
„Gesamtstrategie“, d.h. alle
Grundschulen und Sek I Schulen analysieren die Daten und Informationen, die sie
über Kompetenzstände ihrer Schülerinnen und Schüler haben, bei Sek.I Schulen
ihre Abgängerzahlen ohne Abschluss. Sie legen in Abstimmung mit der
Schulaufsicht fest, welchen Beitrag ihre verschiedenen schulischen Aktivitäten,
pädagogischen Maßnahmen und Förderkonzepte zu besseren Lernerfolgen der
Schüler*innen und der Senkung der potenziellen oder tatsächlichen
Schulabgänger*innen ohne Abschluss leisten sollen. Dabei sollen möglichst
konkrete Ziele vereinbart werden. So bleibt die Möglichkeit eines breiten
schulischen Profils erhalten, aber die Zielstellung wird implementiert. Soweit
es noch keine gezielten Maßnahmen für diese Zielstellung gibt, werden diese
durch erprobte und wissenschaftsbasierte Maßnahmen ergänzt.
Die Schulaufsicht prüft bei allen für die Schulen vorgesehenen Unterstützungs-
und Begleitmaßnahmen, ob und wie das zentrale und gemeinsame Ziel verankert ist,
und sorgt dafür, dass Maßnahmen darauf ausgerichtet werden und die dafür
notwendigen Ressourcen gesichert sind.
Die Schulverwaltung sorgt dafür, dass alle zentral vorgehaltenen und gesteuerten
Instrumente und Systeme, die Frage der Grundbildung im Fokus haben.
2. Transparente und partizipative Prozesse bei der Umsetzung sichern
Nicht ohne Grund haben die Mitglieder der Expertenkommission festgestellt,
„…dass eine Abstimmung bzw. systematische Verzahnung einzelner Maßnahmen und
Entwicklungsvorhaben häufig nicht zu erkennen ist.“ Daraus abgeleitet wurde die
Forderung nach einer schlüssigen Gesamtstrategie und eine Klärung der
Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, sowie eine höhere Verbindlichkeit bei
der Umsetzung einzelnen Maßnahmen.
Die Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission stellt für die Berliner
Schulen eine große Herausforderung dar, bedeutet sie doch für viele Akteure in
Schulen, Schulaufsicht und -verwaltung erhebliche Veränderungen von Haltungen
und eingeübten Traditionen. Viele Vorschläge der Kommission müssen vor einer
Umsetzung konkretisiert werden, benötigen eine vergleichende Bewertung
hinsichtlich ihrer potenziellen Effekte und Kosten. Wenn Einigkeit im zentralen
Ziel besteht, sind durchaus auch alternative Vorgehensweisen denkbar. Es braucht
es eine kluge Gesamtstrategie, die die Implementation und den Prozess der
Veränderung gut kommuniziert und die Beteiligten stark einbezieht. Dafür sollte
der neu gegründete Beirat genutzt werden.
Die Erreichung des großen Ziels wird wesentlich davon abhängen, ob es gelingt
die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und Schulleitungen einzubeziehen,
zu überzeugen und bei der Umsetzung wirksam und nachhaltig zu unterstützen. Eine
erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen würde ein wichtiger Schritt in Richtung
unserer eingangs beschriebenen Ziels sein und sollte von grüner Seite
konstruktiv begleitet werden.